Was machen die Mitglieder während des Lockdowns in der Corona-Krise, wenn sie sich nicht zu Veranstaltungen treffen können?
Zum Beispiel die Gruppen Hannover, Aachen und Münster
Natürlich haben wir ganz viel unter- und miteinander telefoniert und gemailt, um den Kontakt zu halten. Aber womit haben sich einzelne Mitglieder in der Zeit der Isolation beschäftigt?
Ich bin ganz viel spazieren gegangen, jeden Tag ca. 15 Kilometer. Luft, Licht und Bewegung tun gut und machen den Kopf frei. Man kann seinen Gedanken nachgehen, ihnen freien Lauf lassen. Und so habe ich meine nähere Umgebung ganz anders als sonst wahrgenommen. Ich habe botanisiert, ornithologische Studien betrieben, den Kuckuck rufen gehört und an das Portemonnaie geklopft, mit dem Fernglas den Horizont abgesucht, blühende Kleingartenkolonien durchstreift, Störche beim Brutgeschäft beobachtet und dann die Fütterung der Jungstörche. Auch ihr Klappern war zu vernehmen. Man wird zur Einzelgängerin – und gewöhnt sich daran. Der Ausspruch des Schweizer Dichters Gottfried Keller kam mir in den Sinn: „Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, von dem goldnen Überfluss der Welt.“
An einem Haus sah ich im Fenster zwei hübsche Kinderzeichnungen mit je einem bunten Regenbogen. Unter den Bögen war ein kleines Haus gemalt mit dem Satz: Wir bleiben zu Hause. Über den Regenbögen stand: Alles wird gut. Die beiden Zeichnungen haben mich sehr berührt. Der Regenbogen ist zum Symbol der Hoffnung geworden. Kinder malen bei dieser Regenbogenaktion einen Regenbogen und kleben ihn ans Fenster oder an die Tür. Andere Kinder können auf ihrem Spaziergang die Regenbögen suchen oder zählen, und gleichzeitig sehen sie, dass auch andere Kinder zu Hause bleiben müssen.

Auch habe ich viel gelesen, u. a. von Alain de Botton: Kunst des Reisens. Er zitiert einen Satz aus den „Gedanken“ des großen französischen Denkers Blaise Pascal (1623 – 1662): „Das ganze Unglück der Menschen rührt aus einem einzigen Umstand her, nämlich, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer bleiben können“. Und Botton berichtet von dem französischen Schriftsteller Xavier de Maistre (1763 – 1852), der 1790 eine Reise durch sein Zimmer machte und später seinem Bericht darüber den Titel gab: „Reise um mein Zimmer“. In dankbarer Erinnerung an seine Erlebnisse unternahm de Maistre 1798 eine zweite Reise. Diese fand nachts in seinem weiß-rosa Schlafanzug statt, der Reisende wagte sich bis an den Fenstersims und gab später diesem Bericht darüber den Titel: „Nächtliche Entdeckungsreise um mein Zimmer“. Eine geeignete Lektüre für Corona-Zeiten im Lockdown!
Sibylle Weitkamp
Sind es immer die „Mängelwesen“, die träumen?
So scheint es 1838 Clemens Brentano gesehen zu haben in seinem Gedicht „Wenn der lahme Weber träumt, er webe, Träumt die kranke Lerche auch, sie schwebe…“ Ich kann jetzt ergänzen: Wenn der eingesperrte Maler träumt, er male weite, bunte Räume….
Ab Mitte März 2020 erging es mir genau so. Die Zwangsvereinsamung kam langsam und unerbittlich. Spontanes Begegnen, Treffen guter Freunde, Beteiligung an der Frühjahrsausstellung einer Künstlervereinigung, Planung der Jubiläumsausstellung einer „Hanse“-Stadt – nicht nur das fiel ins Wasser. „Bleib alleine!“ Sicherlich sinnvoll, aber der Preis war eine malerische Ohnmacht. Ich ging an der Staffelei, an den halbfertigen Bildern, die da vor sich hin trockneten, vorbei, und der Blick blieb leer. Nichts „funkte“. Mitte April war der Zustand bedrückend, fies, schwermütig machend. Ein betäubter Wille wie beim Rilkeschen Panther in seinem Käfig.
Aber siehe da: Die ausgesperrte Welt rückte und rückt nach und nach wieder näher, die Bücher und Bilder und blühenden Bäume beginnen wieder zu sprechen. Die Lockerung verlockt. „Kirchner“, „Kafka“, wer weiß, woher kommend, stehen auf einmal als Stichwortgeber im Raum. Plötzlich ist die „Produktion“ wieder angesprungen: zwei leere Leinwände aus Vor-Corona-Zeit, lange Zeit unberührt, wandern auf die Staffelei – Vorzeichnung mit noch vager Idee, anlegen der Figuren, Ausweitung zu einem Triptychon…
Das Atelier nicht mehr Käfig, sondern tatsächlich großer, weiter Raum. Bilder entstehen wieder in einem Schwung. Die Fülle, nicht der Mangel hilft der Stimmung auf, und die Ölfarbe „fließt“ wieder – das Foto hat das festgehalten.

Annette Grund
Was hilft uns in diesen Zeiten, wenn die Kontakte wie Chorsingen und Treffen bei „Frau und Kultur“ entfallen?
Mir hilft, Musik zu hören, spazieren zu gehen und zu lesen, lesen….
Es sind nicht nur Romane und Kriminalgeschichten, sondern immer wieder das Buch von Erich Kästner: Das Blaue Buch – Geheimes Kriegstagebuch 1941 – 1945 ( Zürich, Atrium Verlag 2018). Ich lese meistens nur die Eintragungen Kästners für den Tag, an dem ich das Buch zur Hand nehme und bin dann erstaunt, wie lakonisch er die jeweiligen Ereignisse des Tages wiedergibt.
Erich Kästner verließ Deutschland in den Kriegsjahren nicht, wohl aus Fürsorge für seine Mutter, aber auch, um als Zeitzeuge seine Eindrücke festzuhalten.
Gerlinde Curth
Gleich zu Beginn der Kontaktbeschränkungen habe ich damit begonnen, den Tagen eine Struktur zu geben. Vormittags habe ich mich mit dem Haushalt beschäftigt, und ab Mittag habe ich mich für ein bis zwei Stunden in der Natur aufgehalten. Nachmittags und abends bin ich meinen Neigungen nachgegangen. Ich lese zwar gern, aber lieber mache ich unterschiedliche Handarbeiten.
Vor einigen Jahren bin ich durch Zufall dazu gekommen, Origami-Faltungen anzufertigen. Zu Anfang habe ich lediglich Umschläge gefaltet, dann kamen einfache Kästchen hinzu, und inzwischen ist es mir gelungen, auch anspruchsvollere Faltungen auszuführen. Die Mandala-Blume, die auf dem Foto abgebildet ist, lässt sich relativ leicht falten, aber sie hat meines Erachtens eine recht gute Wirkung. Meine Anregungen hole ich mir aus dem Internet und falte das, was mir gefällt, nach. Ich bin immer wieder erstaunt, was die Menschen können, die zum Teil sehr schwierige Faltungen entwerfen. Eigene neue Kreationen sind mir noch nicht gelungen, aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Gisela Kirchel
Ablenkung ist in diesen Zeiten sehr willkommen. Da ab Mitte März leider auch alle Veranstaltungen vom Verband „Frau und Kultur“ abgesagt werden mussten, half mir oft Lektüre dabei, all die geplatzten Termine zu ersetzen.
Besonders gut gefallen hat mir der neue Roman von Laetitia Colombani „Das Haus der Frauen“. Darin geht es um eine junge, erfolgreiche Pariser Anwältin, die in ihrer beruflichen Arbeit so schockiert wird, dass sie nicht mehr in der Kanzlei arbeiten kann. Um ihre Zeit sinnvoll zu nutzen, bietet sie an, im Haus der Frauen (Palais de la Femme) ehrenamtlich für die dort untergekommenen Frauen in Not amtliche und private Briefe zu verfassen. Mit jedem Brief, den sie im Auftrag der Bewohnerinnen verfasst, wächst ihr Mitgefühl für die Frauen, die oft furchtbare Schicksale erlitten haben.
Sie beginnt, sich für die Geschichte des Hauses zu interessieren. Der Kampf der mutigen, heldenhaften und selbstlosen Blanche Peyron, die sich 1926 für diesen Ort der Zuflucht für hilfsbedürftige Frauen mit all ihrer Kraft eingesetzt hat, wird in Rückblicken erzählt. Die im Roman enthaltenen Kapitel über Blanche Peyron, die Gründung der Heilsarmee und deren Wirken in Paris sind sehr gut nachempfunden, und ich habe die Frau, die eines der ersten Frauenhäuser gründete, gerne „kennengelernt“. Das Buch mit den interessanten Personen, der leichten Spannung und den genau richtig dosierten Emotionen ist im Februar 2020 im S. Fischer Verlag erschienen. Dort wurde 2018 auch der erste Roman von Laetitia Colombani „Der Zopf“ veröffentlicht. Auch der ist lesenswert.
Martha Lang
Willst du ein Leben lang glücklich sein, lege einen Garten an.
Deutsches Sprichwort
Diesem Sprichwort kann ich nur zustimmen!
Besonders in diesen schwierigen Zeiten, in der die meisten von uns zur gefährdeten Altersgruppe gehören, und wir mehr Obacht auf uns geben sollten, ist mein Schrebergarten mein Fluchtpunkt und Ruhepol. Dort bei der Arbeit sind die Alltagssorgen ausgeblendet. Ich erfreute mich an der Vielfalt der Pflanzen, an den zarten Frühlingsfarben im Mai, wie Akelei, Tamariske und Magnolien oder das Weiß des Schneeballs, der Gartenanemonen und der Milchsterne. Eine besondere Freude bereiteten mir die sich öffnenden Knospen der Pfingst- und Bauernrosen und dann ihre volle Blütenpracht.
Immer wieder verändert sich die Farbwelt meines Gartens, das Blau des Alliums, der Glockenblumen, der verschiedenen Irissorten und der Funkien beherrschen den Garten. So verbringe ich meine Tage im Garten auch auf meiner Liege mit einem schönen Buch, aber immer wieder schweifen meine Blicke in den Garten, für mich ein kleines Paradies, und dem hinter dem Garten liegenden Stadtwald Hannovers, der Eilenriede.

Regina Tiemann
Das waren Eindrücke von Mitgliedern der Gruppe Hannover
Frau und Kultur NEWS aus AACHEN vom Mai 2020

Und ein Brief an die Mitglieder der Gruppe Münster vom 24. März 2020
Liebe Damen von Frau und Kultur,
Heute Abend habe ich das Bedürfnis, mich einfach mal auf diesem digitalen Weg per E-Mail zu melden bei den Damen die im Internet zu erreichen sind.
Im Normalfall hätten wir uns morgen wieder getroffen im “Himmelreich” zu einem besonders schönen Nachmittag.
Die Zeiten sind aktuell überhaupt nicht normal durch das verheerende Geschehen in der ganzen Welt.
Wir als ältere Frauen, viele von uns allein wohnend, sind eigentlich auf Gemeinsamkeit angewiesen, auf eine heitere Begegnung, auf ein Gespräch, auf einen Gang durch die frische Luft, gerade an diesem sonnigen Frühlingstag.
Nun sollen wir zu Hause bleiben und uns höchstens zu zweit auf Abstand begegnen.Also ist unsere Kreativität gerade jetzt gefragt. Ich schlage vor, dass wir uns kreativ begegnen.
Am Telefon, per Brief, per E-Mail oder WhatsApp, denn wir wollen uns nicht verkriechen oder in Wehmut versinken.
Ich habe mir lange nicht mehr so intensiv schöne Musik angehört, als in den letzten Tagen. Das hat mir richtig wohlgetan!
Die Damen die Sie kennen, können Sie sicher erreichen. Wenn Sie jemanden schreiben oder anrufen möchten, von der Sie nur den Namen kennen, dann rufen Sie bei uns vom Vorstand an.
Ich werde auf jedem Fall mein Telefon nicht in Ruhe lassen!
Zum Schluß möchte ich Sie noch bitten, in diesen Tagen feste an meine Freundin, Gabi Stroetmann, zu denken, die vor einigen Tagen unerwartet an einem Hirntumor operiert wurde. Zum Glück war der gutartig und sie hat die Operation erst mal gut überstanden. Wir haben große Hoffnung, dass es ihr besser gehen wird.
Nun wünsche ich Ihnen allen eine gute Osterzeit! Wir haben jetzt eine Chance, uns mit uns selbst zu beschäftigen.
In herzlicher Verbundenheit!
Ine Waaldijk
